von Thorsten Bullerdiek

Die Zukunft kommt sowieso ganz unaufhaltsam auf uns zu, und bisher ist es ja noch immer gut gegangen. Schließlich leben wir noch und das so gut wie nie zuvor – zumindest hier in Deutschland. Dass es in anderen Teilen der Welt noch einigen Nachholbedarf gibt, erfahren aus aus den Medien und beim Blick vor die Tür: Täglich kommen Menschen zu uns, die in ihrer Existenz bedroht sind und noch nicht einmal das Nötigste haben. Bisher ebbte irgendwann der Zustrom ab, wir konnten zur Tagesordnung übergehen und es uns gut gehen lassen. Diesmal scheint es so, als ob wir aber nicht damit rechnen können, dass die Flüchtlingsströme abebben. Wir müssen Strategien entwickeln, um die Menschen, die zu uns kommen, in die Gesellschaft integrieren – damit wir mit ihnen unsere Zukunft gestalten können.

Wollen und werden wir diese Chance nutzen? 2050 werden wir mit der Rückschau wissen, ob wir richtig gehandelt haben. Aber handeln müssen wir jetzt, auch auf anderen Feldern. Damit sind wir mittendrin in Gemeinde 5.0. Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, werden zum Teil auch 2050 noch hier sein und hoffentlich in unserer Mitte die Gesellschaft bereichern und mitentwickeln.

Reisen Sie mit in das Jahr 2050
Begleiten Sie mich auf eine Reise in das Jahr 2050: Wir werden ältere Eltern. Auch in Deutschland gibt es sehr viele glückliche Kinder, die durch eingefrorene Ei- und Samenzellen im Reagenzglas gezeugt wurden, weil sich der Kinderwunsch ihrer Eltern nicht auf natürlichem Wege erfüllte. Das „Sozial Freezing“, 2014 von Amazon und Apple eingeführt, ist anfänglich noch auf ethische und moralische Bedenken gestoßen. Nun ist es üblich. Das Verfahren wurde in den vergangenen Jahren sicherer und kostengünstiger. Die Technologie ist bereits 2020 im „Massenmarkt“ angekommen. Unternehmen bieten daher schon im Einstellungsgespräch an, bei der Planung von Kinderwünschen behilflich zu sein.

Wie leben wir oder was wird sein – wenn ich älter bin?
2050 – ich habe gerade Streit mit Emmy. Emmy ist sauer auf mich und ich bin sauer auf Emmy. Warum? Das ist schnell erklärt: Emmy ist vor drei Jahren auf Wunsch meiner Angehörigen und meiner Gemeinde bei mir eingezogen,

Emmy ist ein Haushaltsroboter, der mich bei allen Tätigkeiten im Haushalt unterstützt und auch leichte Pflegetätigkeiten übernimmt. Der Haken ist, dass bei der Programmierung von Emmy manches zu gut gemeint wurde. Sie ist derart fürsorglich, dass sie letztens meine noch vollen Weinflaschen zum Flaschencontainer gebracht hat. Der schöne Barolo, lang gehegt von mir, ist nun nicht mehr hier, sondern im Container. Dafür serviert Emmy gerade Fencheltee. Sehr gesund, aber ich würde doch meinen Wein bevorzugen.

Ansonsten ist Emmy ganz okay, denn unsere menschlichen Pflegekräfte sind unbezahlbar geworden – wie eigentlich alles menschliche Handwerk. Hier haben wir schon fast alle Berufe durch Roboter ersetzt, die ausfallsicher sehr präzise arbeiten.

Zwischenzeitlich hatte ich es mit einer Senioren-WG probiert, aber immer wieder starb jemand weg, und so habe ich mir eine gemeindliche Altenwohnung gemietet. Hier habe ich, was ich brauche: Emmy und einen menschlichen Besuchsdienst. Außerdem werde ich altersgerecht beschäftigt.

Störend ist die gelegentlich übertrieben programmierte Welt in meiner Wohnung: Wenn man nicht aufpasst, wird einem spontan schlecht, denn ab und an wird die Musik einfach nach dem Lebensalter eingespielt. Neulich traf es mich ganz gemein: Andrea B. und Helene F. kamen mir kurz nacheinander auf meiner Leinwand entgegen und sangen aus voller Kehle, als ich die Wohnung betrat. Ebenso nervig können Kommunikationsroboter werden, die mir dauernd irgendwelche altersgerechte Gesellschaftsspiele vorschlagen oder mit mir spazieren gehen wollen – früher haben wir die Hunde ausgeführt, heute führen uns die Roboter aus …

Dennoch: es ist schon an vieles gedacht, was mir den Alltag leichter macht!

Einkauf per Drohne
Seit ich etwas wackeliger auf den Beinen bin, muss sich Emmy mehr und mehr um mich kümmern und kann nicht mehr einkaufen.

Vieles bestellen wir im Internet. Aber mehr Spaß macht es, mit Drohny einzukaufen. Drohny fliegt in den Supermarkt, zeigt uns mit seiner Kamera das Sortiment und lädt in den Korb, was wir möchten – Emmy und ich sind live dabei. Gelegentlich kaufe ich mit Drohny auch allein ein, denn Emmy ist immer sehr kritisch, gerade was Alkohol, Chips und Pfeifentabak angeht.

Dass wir den Haushaltsroboter spätestens im Jahr 2050 haben werden, ist sicher. Schon vor vielen Jahren hielten Rasen- und Staubsaugerroboter Einzug in die Haushalte. Der Roboterhund wurde Realität. Kochen, Bügeln, Putzen, Aufräumen und Gartenarbeit brauchten wir schon seit 2030 nicht mehr selber zu machen.

Ein Problem: Wir müssen darauf achten, dass wir noch arbeiten dürfen, wenn wir wollen!

Wir bleiben mobil, aber Teilen ist das Thema!
Wir teilen alles, was man sich denken kann. Jede Ressource ist geteilt mindestens doppelt so viel wert. Es war ein harter Lernprozess, aber er hat gefruchtet und ich ertappe mich dabei, dass ich schon gleich beim Einkauf daran denke, ob und mit wem ich was teilen kann.
Ein Beispiel: 2014, als die Firma Uber bei uns gegründet wurde, gab es noch Taxifahrer, ehrbare Menschen, die gerade 8,50 Euro pro Stunde bekommen sollten für ihren harten Job, den sie Tag und Nacht über Jahrzehnte gemacht haben. Aber Uber war dem Taxi überlegen, und so fahren wir seit 2020 nicht mehr Taxi – wir „ubern“. Den Taxifahrer gibt es leider nicht mehr, aber Uber hat eine Kultur des Teilens befördert. Nach und nach verlor das Auto als Statussymbol an Bedeutung. Wichtiger wurde es, Fahrzeuge sinnvoll zu teilen. Wir sparen, kommen ans Ziel und haben noch Freude dabei.

Das war mal anders: Ist lange her, da hatte jeder über 18 Jahre sein eigenes Auto. So bis 2030, glaube ich. Jedoch wurden die Ressourcen knapp. Elektroautos fuhren nach und nach nur per Ökostrom und die Kosten je Kilometer stiegen und stiegen. Zudem wurden immer mehr Repressalien eingeführt: das Fahrrad und die Fußgänger bekamen überall Vorfahrt vor dem Auto. Gerade in den Innenstädten machten Autos gar keinen Spaß mehr. Wir mussten auch nicht mehr unbedingt selbst fahre. Da Bus und Bahn meist nicht da waren, wenn sie gebraucht wurden und zudem sehr teuer geworden waren, kam 2030 der Autoroboter als Lösung serienreif auf den Markt. Seit 2040 teilen wir uns ein Auto mit fünf Nachbarhaushalten. Ein Roboter fährt dieses Auto rund um die Uhr und bringt alle Personen zu jeder Zeit dahin, wo sie hinmöchten. Kein Problem durch die Vernetzung und ständige Abstimmung mit dem Autoroboter, der im Notfall auch freie Kapazitäten mit anderen Robotern teilt.

Der Verkehr ist geringer geworden, da weniger Autos auf unseren Straßen sind. Gleichzeitig wurde der Parkraum wieder Natur, da die Fahrzeuge nur wenige Kurzzeitparkplätze brauchen. Unfälle gibt es, da die menschliche Fehleranfälligkeit aus dem Straßenverkehr weitgehend verbannt wurde, kaum noch. Zudem wurde das Verschuldensprinzip vor kurzem abgeschafft. Daher gibt auch so gut wie keine Verkehrsstreitigkeiten mehr.

Gesundheit 2050

  • Wir teilen übrigens alle nach unserem Tode auch unsere Organe – als Organspender. Das hat der Staat geregelt.
  • Wir werden gesünder, da wir uns nur noch von gesunden Lebensmitteln ernähren, die auch schmecken, da Geschmackstoffe erfunden wurden, die zum Beispiel Spinatschnitzel nach Rindfleisch schmecken lassen und dazu noch völlig gesund sind. Rote Beete sieht aus und schmeckt wie Schokolade. Und in der Remoulade sind die Wirkstoffe von Äpfeln, total lecker aufbereitet. So macht gesundes Essen auch immer mehr Spaß!
  • Der Fachärztemangel hat dazu geführt, dass wir nun viele Untersuchungen per Telemedizin und mit unserer A-Watch machen können und müssen. Die A-Watch weist mich auch an, mich zu bewegen, wenn es günstig ist oder wenn es Not tut, zum Beispiel nach einem ausgiebigen Essen. So bleibe ich fit, wenn ich mich an die Anweisungen halte. Die Uhr weiß genau, was Sie will und bringt es mir so schonend bei, dass ich es auch will.
  • Unsere Ärzte arbeiten in  Polykliniken, die mit Fahrdiensten angesteuert werden.
  • Operationen machen nur noch die Elektronischen Chirurgen. Sie arbeiten effektiver und präziser, und auch als Pflegekräfte werden immer mehr intelligente Roboter eingesetzt: ausfallsicher und effektiv!

E-Government und weitere Notizen aus der Zukunft:

Wir haben die staatliche Cloud. 2030 per Gesetz eingeführt. Meine Daten sind nun in staatlichen Wolken.

  • Alle Belege für das Finanzamt sind in der Steuercloud,
  • Meine Gesundheitsdaten – auch die aktuellen aus meiner A-Watch – sind in der Gesundheitscloud,
  • Die Finanzdaten in der Finanzcloud. Übrigens alle Fachverfahren laufen aus Sicherheitsgründen zentral über den Bund.
  • Fernsehen, Internet und reale Welt sind sehr miteinander verschmolzen. Ich merke, dass ich älter bin und es für mich immer noch schwer zu unterscheiden ist, ob ich in 3-D ein Treffen erlebe und aktiv mitwirke oder mich mit Freunden real verabrede.
  • 2040 wurde die Fußballbundesliga aus dem Fernsehen verbannt. Schon 2030 hatten Dortmund, Schalke, Gladbach und Leverkusen versucht, ein Team aufzustellen, das wenigstens die 5. Mannschaft von Bayern München schlagen sollte. Dies ist nicht gelungen. Kein Wunder, da die besten Teams alle nach und nach von Bayern aufgekauft wurden. Aber es guckt auch niemand mehr Fußball – überhaupt: Fernsehen ist ganz und gar out! Mann und Frau gehen wieder raus vors Haus und schauen, riechen, fühlen und schmecken die Natur.
  • Postboten gibt es leider nicht mehr. Alles wird im Supermarkt gestapelt und Drohny holt täglich meine Briefe und Pakete ab.
  • Portemonnaie und Karten werden 2020 abgeschafft. Noch 2015 waren 14 (!) Karten bei mir im Portemonnaie. Nun zahle ich nur noch mit meinem guten Namen und dem Chip, der unter meiner Haut das derzeit Sicherste ist, was man sich denken kann. Einen kleinen Nachteil gibt es: Bei Überfällen wurden schon einige Personen empfindlich geschlitzt.

Nicht alles, was Sie hier lesen, wird es bis ins Jahr 2050 schaffen, aber einiges schon. Um diesen Prozess aktiv kommunal zu begleiten, haben wir das Projekt Gemeinde 5.0 geschaffen.